Israel: Stimmen zum Konflikt
Israel und Hamas: Gewalt verurteilen – für Frieden eintreten
Von Dr. Dr. Peter Noss
Der barbarische Überfall der palästinensischen Hamas auf die Zivilbevölkerung in Israel hat die Koordinaten im Konflikt zwischen Israel und Palästina verschoben. Die Gewaltaktionen mit den Morden an unbewaffneten Menschen auf einem Musikfestival und in einem Kibbuz, die Tötung von Menschen in den Gebieten rund um den Gazastreifen, die Verschleppung von Kindern, Müttern und Senioren sind in ihrer Grausamkeit nicht zu überbieten.
Hemmungslose Gewalt
Die Bischöfin der Nordkirche, Kerstin Fehrs sagt dazu: „Ganz gleich, wie wir zum Nahostkonflikt mit all seinen Kriegen und verpassten Chancen auf Frieden stehen: Hier ist eine zivilisatorische Grenze überschritten worden. Ich fühlte mich spontan an Butscha erinnert, wo Ähnliches geschehen ist: diese hemmungslose Gewalt gegenüber wehrlosen Menschen.“
Terror benennen
Zuerst ist der Terror der palästinensischen Hamas zu benennen und zu verurteilen. Die Ratsvorsitzende der EKD, die westfälische Präses Annette Kurschus, die gemeinsam mit EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung und einer Delegation vor wenigen Tagen noch in Jerusalem war, schreibt: „Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Menschen in Israel, deren Land wir noch vor wenigen Tagen besucht haben.“
Gewalt durchbrechen
Kirchenpräsident Volker Jung schlussfolgert in seinem Statement: „Es kann in solchen Momenten nur eine Reaktion geben: die Solidarität mit den Opfern, mit den Angegriffenen, die Solidarität mit Israel. Und den Protest gegen das Töten und Morden, die klare Benennung der Schuldigen. Zugleich muss der Zirkel der Gewalt durchbrochen werden. Gemeinsam mit den Rabbinern für Menschenrechte und vielen anderen bete ich darum, dass „Gott das Land mit Frieden segnet“(Quelle)
Schlimmster Gewaltausbruch seit Holocaust
Seit dem Holocaust hat es keine solche Gewalt gegen Juden mehr gegeben, betonte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. „Es geht uns alle an, was in Israel passiert und auch, wie die Reaktionen ausfallen. Zugleich braucht es alle Kräfte, um der Gewalt zu wehren und sie zugleich zu begrenzen. Und wenn wir heute als Kirche etwas tun können, dann das: der verwundeten, traumatisierten und getöteten Menschen zu gedenken. Und für die Wiederherstellung des Friedens zu beten.“ (Quelle)
Gegen Jubel-Demonstrationen
Die Solidarität gilt auch hierzulande: „Wir denken auch an all die Menschen in den jüdischen Gemeinden bei uns in Deutschland, die jetzt Angst um Freunde und Verwandte in Israel haben“, sagte am Sonntag die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann Das schließt die Absage an diejenigen mit ein, die nach den schrecklichen Ereignissen pro-palästinensische Jubel-Demonstrationen veranstalten. (Quelle)
Leid und Zerstörung
Der Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit Sitz in Bad Nauheim nimmt klar Stellung: „Es ist der Ausbruch einer erneuten völlig sinnlosen Gewalt durch die palästinensische Hamas. Sie wird zu nichts anderem führen als zu Leid und Zerstörung. Unsere Herzen sind bei den israelischen Familien, bei denen, die jetzt ihre Angehörigen verloren haben, die verletzt sind oder sich in der brutalen Geiselhaft der Hamas und ihrer Anhänger befinden. Fünfzig Jahre nach dem Jom Kippur Krieg wird Israel erneut in einem Moment einer friedlichen religiösen Feier getroffen. Ein Moment der Ruhe wird erbarmungslos ausgenutzt und so wird Israel dazu gedrängt, mit aller Härte zurückzuschlagen. Das zynische Spiel der Hamas wird in Leid und Zerstörung im Gaza-Streifen enden. Wie lange will Hamas dieses furchtbare und völlig sinnlose Spiel noch weiterspielen, in dem Leben, Wohl und Ergehen der israelischen aber auch der eigenen Bevölkerung nichts, nein rein gar nichts zählen?“ (Quelle)
Terror nicht feiern
Der evangelisch Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau, ImDialog, erklärt sich „solidarisch mit jüdischen Menschen in Deutschland und anderen Ländern, die aufgrund der derzeitigen Ereignisse in und um Israel Opfer von antisemitischen Beschimpfungen und Anfeindungen oder gar Gewalttaten werden. Wir stellen uns Meinungsäußerungen und Kundgebungen entgegen, die den Terror der Hamas relativieren oder gar feiern.“ (Quelle)
Chance für Extremisten
Seit vielen Jahren unterstützt die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Initiativen in Israel und Palästina, die auf Frieden und Verständigung hinarbeiten. Denn die Entwicklungen schaden nicht nur den Menschen in Israel, sondern auch in den verschiedenen Palästinenser-Gebieten. Darunter sind die „Rabbiner für Menschenrechte“, die die Olivenernte für Palästinenser begleiten und interreligiöse Friedensmärsche organisieren wie zuletzt in Jerusalem. Auch sie blicken wie viele jüdische und arabische Israelis auf die nächste Zeit: Es ist durchaus möglich, dass Extremisten die Gelegenheit nutzen, um Konflikt und Gewalt in Israel zu schüren, so wie zuletzt 2021. In ihrer Schlussfolgerung heißt es: „Schon jetzt ist klar, dass die neue Realität, die uns erwartet, nicht mehr so sein kann wie gestern. Die große Frage, die sich stellt, ist, ob wir uns von diesen gescheiterten Konzepten mitreißen lassen, die sich immer wieder als schädlich erwiesen haben, oder ob wir uns etwas grundlegend anderem zuwenden, einem Weg, der nicht nur unseren Frieden sichert, sondern auch ihren Frieden, unsere Zukunft neben der ihren, unsere Würde Schulter an Schulter mit der ihren. Wir trauern und trauern mit den Familien der Opfer, senden Genesungswünsche an die Verwundeten und ihre Familien und beten für die schnelle Freilassung der Gefangenen und die Linderung des Leidens so weit wie möglich. Möge der Herr seinem Volk Kraft geben; Möge der Herr sein Volk mit Frieden segnen.“ (Quelle)
Trauern um Verlust
Der ICCJ, die Dachorganisation für zahlreiche Dialogorganisationen, formuliert es so: Wir bei ICCJ schließen uns vielen Menschen auf der ganzen Welt an und umarmen die zerrütteten Familien und trauern um ihren Verlust. Wir beten für die Verwundeten und für diejenigen, die noch vermisst oder als Geiseln gehalten werden. Wir beten für alle, Israelis und Palästinenser gleichermaßen, die unter dieser Grausamkeit leiden. Wir äußern unseren Schmerz und unsere Angst für die kommenden Wochen, wir betreten einen möglicherweise langen und sehr dunklen Tunnel, Kraft und Hoffnung werden gebraucht werden. Wir sind unseren Mitgliedsorganisationen dankbar für die eindringlichen Erklärungen, die sie abgegeben haben, und für die Aktionen, die sie bereits vor Ort ergriffen haben. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Gewalt unsere wichtige Arbeit zunichte macht; Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Krieg den Dialog, den wir seit vielen Jahrzehnten führen, zum Scheitern bringt. Wir bekräftigen unseren Entschluss, trotz dieser tiefen Wunde im Herzen weiterzumachen und "im Raum zu bleiben", auch wenn die Gespräche extrem schwierig werden. Wir beten, dass allen innere Kraft geschenkt wird, wir beten um Hoffnung, wir beten um Frieden. (Quelle)
Zivilisierte Gesellschaft
In Givat Haviva gibt es seit Jahrzehnten ausgezeichnete Bildungs-Projekte, die der Idee eines friedlichen und gleichberechtigten Miteinanders aller Menschen in Israel/Palästina verpflichtet sind. Torsten Reibold, der Europa-Vertreter, betont in einem Rundbrief vom 10. Oktober: „Jetzt erst recht muss der Kampf um eine zivile und zivilisierte, demokratische Gesellschaft weitergehen. Denken Sie an unsere Freund*innen und Kolleg*innen in Givat Haviva und an all die Menschen, die diesen Terror erleben und die in den nächsten Wochen und Monaten noch viel ertragen werden müssen.“ (Quelle)
Und jetzt?
Was bleibt jetzt zu tun? Was wir brauchen sind christliche, jüdische und interreligiöse Gebete für den Frieden, die Liebe und Mitmenschlichkeit, die den Anderen im Blick haben und sich gegen Menschenverachtung und Terror wenden. Und wir brauchen das Gespräch, den intensiven Austausch über die Fragen einer Solidarität mit Israel.
Ein Veranstaltungstipp
Am 30. Oktober 2023 findet in der Evangelischen Akademie Frankfurt eine Veranstaltung statt, die vom Zentrum Oekumene und dem Deutschen Koordinierungsrat verantwortet wird. Dabei werden die aktuellen Entwicklungen in Israel/Palästina eine zentrale Rolle spielen: „75 Jahre Israel - Eine bleibende Anfrage an die christlichen Kirchen.“ Zu Gast sind Prof. Dr. Klaus Müller, Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg und Dr. Christian M. Rutishauser SJ. Pröpstin i.R. Gabriele Scherle moderiert.
Zur Veranstaltung
Der Autor, Dr. Dr. Peter Noss, ist Referent für Judentum und Naher Osten im Zentrum Oekumene der EKHN/EKKW in Frankfurt.
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