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Die Emporenbilder

Die einzelnen Bilder können auch gezielt aufgerufen werden
NordenWestenSüden
1. Christus7. Andreas10. Judas
2. Petrus8. Der Kalvarienberg11. Jakobus, der Ältere
3. Johannes9. Philippus12. Simon Zelotes
4. Thomas13. Jakobus, der Jüngere
5. Paulus14. Matthias
6. Bartholomäus15. Luther

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© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild - Kalvarienberg - Kreuzigungsszene
Emporenbild - Kalvarienberg - Kreuzigungsszene

Die Renovierung unserer Kirche und Restaurierung der Emporenbilder

Mit der Reinigung und großen Inspektion der Orgel, die wir in Sommer 2007 abschließen konnten, war die ganze Kirche rundum renoviert. Im Jahr 2000 haben wir begonnen mit der Außenrenovierung, es folgte die Neugestaltung der Außenanlagen und schließlich die umfangreiche Innenrenovierung, zuletzt kam die Überholung der Orgel.

Viele fragen uns nach Alter, Herkunft und Bedeutung der Bilder an unserer Empore, die wir im Zuge der Innenrenovierung der Kirche entdeckt haben. Was das Alter anbetrifft, so sind wir sicher, dass ein Künstler aus der Region die Bilder zwischen 1730 und 1740 gemalt hat, also kurze Zeit, nachdem unsere Kirche beim Umbau 1728 ihre jetzige Gestalt bekam. Dass die Bilder den Kreis der Apostel darstellen, wissen wir auch. Die Identifizierung der einzelnen Figuren ist jedoch nicht in allen Fällen eindeutig. Bei manchen fällt es leicht, weil sie durch die Attribute in ihren Händen eindeutig erkennbar sind. Der Mann mit den Schlüsseln zum Beispiel muss Petrus sein. Bei anderen ist es nicht ganz so leicht.

Ob der zwölfte etwa der für Judas nachgewählte Matthias ist oder doch Thaddäus, von dem wir so gut wie nichts wissen, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Sicher sind wir jedoch, dass das letzte Bild den Reformator Martin Luther darstellt und relativ sicher, dass Paulus unter den Aposteln eingereiht wurde, obwohl der nicht zu den Mitgliedern der Zwölferrunde gehörte.

Alles, was wir über die Bilder wissen, und was Sie sicher über die Renovierung der Kirche insgesamt wissen möchten, haben wir für Sie in einer Broschüre zusammengestellt, die Sie im Pfarrbüro und auch sonntags in der Kirche zum Preis von 4,50 Euro erwerben oder nachfolgend einsehen können.

Christiane Dannemann †

Seit fast einem Jahr sind sie nun schon fertig, die Bilder an unserer Empore. Dass wir sie im Zuge der Renovierungsarbeiten entdeckt haben, ist schon eine kleine Sensation. So etwas passiert gewiss nicht alle Tage. Und wir sind sehr stolz auf unseren wieder gefundenen Kunstschatz. Oft haben uns Leute schon gefragt: Was gibt es denn nun eigentlich auf den Bildern zu sehen? Das wollen wir Ihnen natürlich nicht verheimlichen; aber es ist gar nicht so einfach herauszufinden. Es sind insgesamt fünfzehn Bildtafeln. Zwölf von ihnen zeigen die Apostel, eine Martin Luther, eine Jesus Christus und die mittlere an der Brüstung der rückwärtigen Wand die Kreuzigungsszene. Kleine Abbildungen mit einem Hinweis auf die dargestellten Personen finden Sie auf dem Schriftentisch in der Kirche. Natürlich möchten wir gern noch ein bisschen mehr erfahren. Was wir bisher wissen, wollen wir Ihnen nun beginnend mit dieser Gemeindebriefausgabe vorstellen.

Gemeindebrief - Herbst 2005

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des auferstandenen Christus
Emporenbild des auferstandenen Christus

Jesus Christus

Das erste Bild auf der linken Seite (wenn man zur Orgel und zum Altar schaut) stellt Christus dar, und zwar einen so genannten „Christus triumphans", einen triumphierenden Christus. So nennt man in der darstellenden Kunst die Bilder von Jesus, die ihn nicht als irdischen Menschen zeigen, sondern nach der Auferstehung. In seinem linken Arm trägt er die Weltkugel mit einem Kreuz oben darauf. Das ist eine Art und Weise der Darstellung, die uns heute nicht unproblematisch erscheint. Denn die Weltkugel soll natürlich auf die „ Beherrschung" der Welt hindeuten, auf die Ausbreitung des Christentums in alle Welt. Das Kreuz hat die Welt „erobert". Das Christentum des 18. Jahrhunderts – die Bilder sind vermutlich in oder kurz nach der Bauzeit 1728 entstanden – hatte keine Skrupel, sich selbst so wahrzunehmen. Uns ist solch ungebrochenes Selbstbewusstsein eher peinlich, und wir empfinden es als imperialistisch. Die Weltkugel als Symbol der Weltbeherrschung wird in der Kunst auch weltlichen Herrschern in den Arm gegeben. Kaiser und Könige tragen sie oft auf Bildern. Jesus wird damit sozusagen mit ihnen in eine Reihe gestellt. Ansonsten unterscheidet er sich äußerlich nicht von seinen Jüngern. Er trägt genau so ein tunikaähnliches Gewand wie sie. Der Maler hat nur einen ganz feinen Unterschied gemacht. Die Farben blau und rot dominieren die Gewänder. Das der Christusfigur aber ist als einziges ausschließlich rot, denn rot ist die Farbe für die Herrschergewänder.

Gemeindebrief - Herbst 2005

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Petrus
Emporenbild des Apostels Petrus

Petrus

Im letzten Gemeindebrief haben wir begonnen, Ihnen die Bilder an der Empore unserer Kirche vorzustellen, die wir im Zuge der Renovierung entdeckt haben. Mit der Abbildung des auferstandenen Christus (erstes Bild auf der Seite des Taufsteins) haben wir angefangen.

Heute stellen wir Ihnen Petrus vor, der zu seiner Rechten steht. Die Frage, welcher der Jünger Jesus am nächsten gestanden hat, wird von biblischen Texten unterschiedlich beantwortet. Während das Johannesevangelium verständlicherweise behauptet, dass Johannes der Jünger gewesen sei, den „Jesus lieb hatte“ (vgl. Johannes 19,26), berichten die anderen Evangelien über eine besondere Nähe zwischen Jesus und Petrus. Das erstaunt vielleicht, wenn man daran denkt, dass Petrus nach der Gefangennahme Jesu geleugnet hat, ihn überhaupt zu kennen aus Angst vor den Römern, obwohl er noch kurz zuvor geschworen hatte, lieber sterben zu wollen, als seinen besten Freund zu verraten (vg. Matthäus 26,35). Trotzdem berichtet das Matthäusevangelium in Kapitel 16 von der besonderen Rolle des Petrus. Er, der dort als erster ausspricht, dass er in Jesus den Christus sieht, den Sohn des lebendigen Gottes, bekommt von Jesus eine besondere Verheißung mit auf den Weg: „Du bist Petrus,, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Eine Bibelstelle, die eine große Wirkungsgeschichte in Gang gesetzt hat, bezogen sich doch die römischen Bischöfe auf sie, als sie die Vorherrschaft über die Christenheit der ganzen Welt beanspruchten. Petrus sei vor seinem Tode nach Rom gekommen – eine Behauptung, die sich historisch nicht zweifelsfrei belegen lässt -, daher sei der römische Bischof der unmittelbare Nachfolger des Apostels Petrus. Als aus dem römischen Bischof dann schließlich der Papst wurde, der allein an der Spitze des Katholizismus stand, diente die Argumentationskette dazu, ihn als den direkten Nachfolger Petri auszuweisen. Lückenlos, so behauptet der Papst „auf dem Stuhl Petri“ noch heute, sei die Kette der Vorgänger, die ihn mit Petrus verbindet, dem Fels, auf den Jesus persönlich seine Kirche gründen wollte. „Petrus“ ist lateinisch und bedeutet auf deutsch „Fels“. Das Wort „Gemeinde“ steht für die Versammlung der Anhänger und Freunde Jesu, meint aber im Matthäusevangelium mit Sicherheit noch nicht das, was wir heute unter „Kirche“ verstehen.

Dass Jesus Petrus die Schlüsselgewalt über das Himmelreich zugesteht und die Macht, zu binden und zu lösen, also im Grunde zu urteilen über Menschen, ist in der Tat bemerkenswert. Es kommt auch weder im sonst sehr verwandten Markusevangelium vor, das einige Jahre eher entstand (ca. im Jahr 70 nach Christus), noch im Lukasevangelium, das etwas später als Matthäus aufgeschrieben wurde (ca. 80 nach Christus). In beiden parallelen Berichten wird jeweils nur das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus erwähnt. Die Matthäusstelle aber ist die bekannteste geworden, da sie dem Katholizismus zur Begründung des Anspruches des Papstes diente. Daher findet sich Petrus auf Abbildungen der bildenden Kunst wie hier auf unserem Bild häufig mit dem Schlüssel des Himmelreichs. Meistens ist es nur einer. Unsere Abbildung stellt ihn, dem Text entsprechend, der von den Schlüsseln spricht, mit zwei Schlüsseln dar.

Gemeindebrief - Frühjahr 2006

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Johannes
Emporenbild des Apostels Johannes

Johannes

Auf der Seite des Taufbeckens beginnend kommen wir nach dem Bild des auferstandenen Christus und dem des bekanntesten Apostels Petrus nun zu Johannes. Auch er gehört zu den vertrauteren der zwölf Jünger. Manche haben vielleicht noch im Kopf, dass die Bibel ihn als „Lieblingsjünger“ bezeichnet. Diese Tradition geht allerdings auf eine einzige Bibelstelle zurück (Johannes 19,26), die davon erzählt, dass Jesus noch am Kreuz Sorge trug für seine Mutter und eben jenen Jünger, „den er lieb hatte“. Allerdings wird der Name „Johannes“ gar nicht erwähnt. Und es kann mit großer Sicherheit vermutet werden, dass der Bezug zu dem Jünger mit diesem Namen eher von seinen Schülern hergestellt wurde, denen wir auch die Aufzeichnung des Johannesevangeliums verdanken. Es wurde zwischen 90 und 100 nach Christus geschrieben und kann darum kaum von Johannes selbst stammen. Seine Schüler aber werden alles, was sie wussten, von ihm gehabt haben und wollten ihn natürlich gern in einer bevorzugten Stellung dargestellt wissen. Auch Johannes 13,23-25 und 20,2-8 erwähnen den Jünger, den Jesus „lieb hatte“, bieten aber ebenfalls keine Hilfe zur Identifizierung der Person. Die altkirchliche Tradition hat lange behauptet, Johannes habe das gleichnamige Evangelium in hohem Alter in Ephesus geschrieben. Dass auch die „Offenbarung des Johannes“ vom Jünger stamme, ist gleichfalls lange behauptet worden, aber nicht möglich, da sie erst nach 100 n. Chr. entstand.

Was wir sicher wissen, ist allein, dass Johannes einer der ersten berufenen Jünger war zusammen mit Petrus und Andreas und seinem eigenen Bruder Jakobus, dass er also zum Zwölferkreis gehörte noch bevor dieser vollständig war (vgl. Matthäus 4,21 ff. und Lukas 5,1 ff.). Oftmals wird er mit Petrus in einem Atemzug genannt, wobei unübersehbar ist, dass er in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zu ihm gestanden hat. In Matthäus 17,1 ff. wird berichtet, dass Johannes es war, der gemeinsam mit Petrus die Vorbereitungen für das Abendmahl am Tag vor Jesu Tod traf. Deshalb hat ihm der Künstler auf unserem Emporenbild auch als Gegenstand einen Kelch in die linke Hand gegeben. Und in Matthäus 17,1 ff. ist er neben Petrus und Jakobus einer der wenigen, die Augenzeugen der sogenannten Verklärung Jesu werden. Eine besondere Stellung im Jüngerkreis nimmt er also tatsächlich ein.

Über die Herkunft des Johannes wissen wir recht wenig. Da er aber zusammen mit Petrus und Andreas berufen wurde, den Fischern vom See Genezareth, ist sehr wahrscheinlich, dass er ebenfalls aus dem Norden stammte, aus Galiläa, und dass er denselben Beruf hatte.

Gemeindebrief - Herbst 2006

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Thomas
Emporenbild des Apostels Thomas

Thomas

Thomas, der ins allgemeine Bewusstsein als der „ungläubige Thomas“ eingegangen ist, spielt als Person nur im Johannesevangelium eine Rolle. Zwar kommt er in den Aufzählungen des Zwölferkreises auch in allen anderen Evangelien vor. Seine Zugehörigkeit wird nicht bestritten. Aber dort erfahren wir nichts über ihn außer seinem Namen. Er hat keine eigene Geschichte. Im Johannesevangelium dagegen ist er einer der wenigen, über die mehr berichtet wird als der bloße Name. Schon in Johannes 11,16 wird er ausdrücklich zitiert, und in Johannes 14,5 löst er mit seiner Frage „Wie können wir den Weg wissen?“ den bekannten Satz Jesu aus: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Die Geschichte aber, durch die er bekannt geworden ist, findet sich in Johannes 20. Jesus erscheint den Jüngern nach seiner Auferstehung, Thomas aber – so wird im ersten Satz klargestellt – war nicht dabei. „Thomas“ ist Hebräisch und bedeutet „Zwilling“. Ob er tatsächlich ein Zwilling war, ist nicht sicher, denn der Text behauptet nur, dass er „Zwilling genannt wurde“. Jedenfalls erfahren wir über den anderen Zwilling nichts. Thomas also verpasste den Besuch Jesu bei den Freunden, und so geriet er in die Rolle des Ungläubigen, weil er nach seiner Rückkehr nicht glauben wollte, dass die anderen den Auferstandenen gesehen hatten. Nach acht Tagen erscheint Jesus wieder im Kreis der Jünger. Beinahe gewinnt man den Eindruck, er sei nur wegen Thomas noch einmal gekommen. Thomas darf seine Finger in die Wundmale Jesu legen und sagt daraufhin: „Mein Herr und mein Gott!“. Und Jesus vermahnt ihn: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“.

Auf unserem Emporenbild erscheint Thomas mit einer Lanze in der Hand. Die Attribute, die die Kunst den Aposteln beigeben hat, spielen zumeist auf ihre weitere Geschichte an, ihre Missionarstätigkeit und ihren Tod, bzw. ihr Martyrium. Diese Geschichten sind nicht Gegenstand biblischer Texte, sondern der Legenden, die sich später um sie gerankt haben. Von Thomas wird berichtet, dass er Missionar im Nahen Osten und in Syrien geworden ist. Er soll in Persien gewirkt haben und dort die drei Weisen getroffen, getauft und zu Bischöfen gemacht haben. Dann sei er nach Indien gezogen, wo er in der Nähe vom heutigen Madras den Märtyrertod starb durch ein Schwert oder eben eine Lanze. Seine Reliquien wurden zunächst dort aufbewahrt und kamen später nach Edessa (Türkei). Tatsächlich nannten sich die Christen der indischen Region um Madras die „Thomaschristen“. Da sie jahrhundertelang keinen Kontakt mit der Kirche in Rom hatten, entwickelten sie ganz eigene Formen und Liturgien und separierten sich von den anderen christlichen Kirchen. Es gibt noch heute eine Gruppe von Christen, die sich „Thomaschristen“ nennen und am vermeintlichen Ort seines Todes steht auf dem Thomasberg eine Kirche zu seiner Erinnerung. Die These, das Johannesevangelium sei nur geschrieben worden, um die Aufzeichnungen des Apostels Thomas – es gibt ein apokryphes Thomasevangelium, das nicht in die Bibel aufgenommen wurde, und ein Buch namens „Thomasakten“ – zu widerlegen und Thomas als den „Ungläubigen“ hinzustellen, ist allerdings in der Theologie eine Einzelstimme, die sich nicht durchgesetzt hat.

Gemeindebrief - Frühjahr 2007

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Paulus
Emporenbild des Apostels Paulus

Paulus

Die Zusammensetzung des Zwölferkreises ist in den neutestamentlichen Texten durchaus nicht unumstritten. Wer dazugehörte und wer nicht, war am Anfang nicht ganz eindeutig. Was aber ganz klar war, ist, dass Paulus nicht zu den Zwölfen gehörte. Auf unserer Emporenbrüstung aber hat ihn der Künstler zwischen Thomas und Bartholomäus platziert, Buch und Schreibfeder in der Hand zum Zeichen dafür, dass wir ihm die umfangreichsten Texte verdanken, Briefe, die er an die ersten Gemeinden in Griechenland und Kleinasien schrieb, die er auf seinen Reisen selbst gegründet hatte. Es sind auch die ältesten Texte, der Zeit der Wirksamkeit Jesu auf Erden am nächsten.

Paulus hat Jesus selbst zu seinen Lebzeiten nicht gekannt, obwohl er etwa um dieselbe Zeit geboren sein dürfte. Er stammte aus einer streng gläubigen jüdischen Familie in Tarsos, einer Stadt an der Küste des Mittelmeeres an der Grenze zu Syrien. In der Bibel begegnet er uns zunächst als Saulus. Den Namenswechsel führt die Apostelgeschichte auf seine Bekehrung zu Christus zurück. Paulus selbst sagt darüber aber nichts. Saulus ist die hebräische Form seines Namens, der an den ersten König Israels mit Namen Saul erinnert. Paulus ist die römische Form. Als Einwohner einer römischen Provinz und Anhänger der jüdischen Religion, die zu den Zeiten Privilegien genoss im Römischen Reich, weil etwa 7% der Bevölkerung ihr angehörten, hatte Paulus auch die römische Staatsbürgerschaft. Er erhielt eine Ausbildung als Pharisäer. Das Pharisäertum war eine jüdische Laienbewegung mit strenger Frömmigkeit. Daneben also hatte er auch einen weltlichen Beruf. Er war Zeltmacher. Damit verdiente er sich sein Geld auch später auf seinen Missionsreisen.

Wie genau Paulus zum Jesusanhänger wurde, wissen wir nicht. Von Anfang an aber gab es einen Konflikt zwischen ihm und den Uraposteln, den Mitgliedern des Zwölferkreises, die in Jerusalem geblieben waren und dort Gemeinde aufgebaut hatten. Paulus wandte sich alsbald nach Antiochien und brachte das Evangelium zu den „Hellenisten“, den nichtisraelischen Völkern im Mittelmeerraum. Diese aber waren in ihrer Mehrzahl vorher keine Juden gewesen. Darum vertrat Paulus auch die Ansicht, dass sie nicht zuerst zum Judentum übertreten müssten und alle Gesetze und Regeln desselben befolgen, bevor sie Christen werden könnten. Für die Jerusalemer Urapostel aber war dies selbstverständlich, kamen sie doch alle aus dem Judentum und hatte Jesus auch mit keinem Wort gesagt, dass er eine neue Bewegung, Religion oder gar Kirche gründen wolle. So kam es zum Streit zwischen Petrus, Johannes und den anderen auf der einen Seite und Paulus auf der anderen. Beim Apostelkonzil um 48 n. Chr. einigte man sich, dass die Apostel der ersten Stunde für die Mission in Israel, Paulus und seine Mitarbeiter aber für die in den anderen, hellenistischen Ländern zuständig sein sollten. So wurde Paulus zum Initiator der Ökumene, des Christentums aus Menschen aller Völker. Für die Protestanten ist er nun der Apostel schlechthin, der größte und bekannteste. Aber diesen Titel hat er sich selber zugelegt. Am Anfang war klar, dass sich nur der Apostel nennen durfte, der mit Jesus zu seinen Lebzeiten unterwegs gewesen war und Zeuge der Auferstehung war. Nun war Paulus ja nicht mit Jesus bekannt gewesen, und Zeuge der Auferstehung war er auch nicht. In seinen Briefen behauptet er aber, Jesus sei ihm in einer Offenbarung direkt erschienen, und viel wichtiger für einen Apostel sei die kirchengründende Predigt. Und darin war er ja unbestritten ein Meister. So beanspruchte er eigenmächtig den Aposteltitel für sich. Und unser Künstler hat ihn in den Kreis der Zwölfe gestellt. Meistens trägt er auf Darstellungen der bildenden Kunst ein Schwert als Attribut bei sich zum Zeichen dafür, dass er enthauptet worden ist. Zumindest erzählt das die Legende. Aus biblischen Texten wissen wir nichts über seinen Tod. Außerbiblische Texte berichten, er sei zuletzt als Missionar in Rom tätig gewesen und dort getötet worden.

Gemeindebrief - Herbst 2007

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Bartholomäus
Emporenbild des Apostels Bartholomäus

Bartholomäus

Bartholomäus ist der Jünger, über den wir aus biblischen Quellen am allerwenigsten wissen. Er taucht lediglich in den vier Aufzählungen der Mitglieder des Zwölferkreises auf, die wir bei den Synoptikern haben: Markus 3,18; Matthäus 10,3, Lukas 6,14 und Apostelgeschichte 1,13. An keiner einzigen Stelle wird er sonst erwähnt, und wir wissen nichts über seine Herkunft, seine Motivation und seine Geschichte. Im Johannesevangelium, das keine Aufzählung der Jüngernamen kennt, kommt er überhaupt nicht vor.

An seiner Person lässt sich ganz eindeutig ablesen, dass es bei der Behauptung, Jesus sei ständig von seinen zwölf Jüngern umgeben gewesen, um eine Konstruktion handelt. Die Zwölfzahl ist theologisch begründet als Neuabbildung der zwölf Stämme Israels und symbolisch zu verstehen. Die Zwölf ist eine der heiligen Zahlen in der Bibel, die für Vollkommenheit steht, für das Ganze. Es gibt viele Figuren, die eine weit wichtigere Rolle spielen in den Jesusgeschichten als gerade Bartholomäus und deren Zugehörigkeit zum Jüngerkreis viel wahrscheinlicher ist.

In der Abfolge unserer Emporenbilder ist Bartholomäus zwischen Paulus und Andreas zu stehen gekommen. In der einen Hand hält er ein Messer, in der anderen eine Haut. Auf der Haut ist ein Gesicht zu sehen, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit der eigenen Physiognomie des Bartholomäus hat. Ganz sicher soll dies auf ein Martyrium hinweisen, das er erlitten hat und bei dem ihm die Haut abgezogen wurde.

Wie bei den anderen Jüngern so stammen auch bei ihm die Attribute, die der Künstler ihm beigegeben hat, nicht aus den Informationen der biblischen Quellen, sondern aus der Legendenbildung in nachbiblischer Zeit.

Alle fünfzehn Bilder und Erläuterungen zu den Figuren finden Sie in einer Broschüre, die Sie für 4,50 Euro erwerben können in der Kirche und im Gemeindehaus vor oder nach dem Gottesdienst und im Pfarrbüro zu den Bürozeiten.

Gemeindebrief - Frühjahr 2008

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Andreas
Emporenbild des Apostels Andreas

Andreas

Es wäre zu erwarten gewesen, dass Andreas als Bruder des Petrus und einer der zuerst Berufenen eine besondere Stellung im Jüngerkreis einnimmt. Nach Markus 1,16 ff. und der Parallelerzählung in Matthäus 4,18 ff. sind Petrus und Andreas die beiden ersten, die Jesus nachfolgen. Er trifft sie am See Genezareth bei ihrer Arbeit. Sie werfen ihre Netze aus. Auf Jesu Wort hin, dass er sie zu Menschenfischern machen wolle, folgen sie ihm ohne weitere Fragen und Erklärungen. Offenbar haben sie bereits von ihm gehört. Im Lukasevangelium ist diese Berufung mit der wunderbaren Geschichte vom Fischzug des Petrus verbunden. Petrus und Andreas und ihre Gefährten hören Jesus zu, der die Menschenmenge vom Boot aus lehrt. Danach fordert er sie auf, ihre Netze noch einmal auszuwerfen, was sie nur auf sein Wort hin tun, denn der Fang der Nacht war schlecht. Nun aber drohen die Netze zu bersten wegen der großen Fischmenge, und Petrus und Andreas müssen die Kollegen aus dem anderen Boot um Hilfe bitte. Diese sind Jakobus und Johannes, ebenfalls Brüder. Am Anfang des Jüngerkreises stehen also diese vier, die miteinander verwandt, bzw. schon vorher befreundet waren. Andreas, als einer der zuerst Berufenen, nimmt eine besondere Stellung ein. Das unterstreicht das Markusevangelium dadurch, dass sie ihn wie die anderen drei bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus in dessen Haus dabei sein lässt (Markus 1,29 ff.) und ebenso gegen Ende des Berichts auf dem Ölberg, als Jesus vom Ende der Zeiten spricht (Markus 13,3 ff.).

In allen anderen Geschichten allerdings, die von der Bevorzugung der „Männer der ersten Stunde“ berichten, fehlt Andreas. Man kann vermuten, dass es eine Art inneren Kern des Jüngerkreises gegeben haben muss, einige, die Jesus näher standen als die anderen der großen Runde. Dass dies die zuerst Berufenen sind, erstaunt vielleicht nicht. Es verwundert aber, dass Andreas mal unter ihnen zu finden ist, dann aber wieder nicht. Ob er also von der Tatsache profitierte, dass er der Bruder des Petrus war, der eindeutig im Laufe der Zeit eine Sonderrolle einnahm, oder ob ihm diese Verwandtschaft eher im Wege stand und er immer mehr in den Schatten des Petrus geriet, lässt sich nicht beantworten. Da wir vom Verfasser des Lukasevangeliums zwei Berichte haben, nämlich neben dem Evangelium noch die Apostelgeschichte, kann man im Vergleich der beiden bereits sehen, wie sich die Ansicht über die Stellung des Andreas im Lauf der Zeit gewandelt hat. In Lukas 6 steht Andreas noch vorn neben Petrus und wird als sein Bruder vorgestellt, in der Apostelgeschichte erscheint er getrennt von ihm an vierter Stelle hinter Johannes und Jakobus in der Aufzählung der Zwölf, und der Verweis auf seine Verwandtschaft mit Petrus fehlt.

Ganz anders dagegen schildert das Johannesevangelium die Rolle des Andreas. Es verarbeitet andere Quellen, und wir wissen nichts Genaues darüber, ob es die anderen drei Evangelien, die vor ihm entstanden, gekannt hat oder nicht. Der Verfasser jedenfalls stand dem Jüngerkreis um Johannes, den Täufer, nahe. Darum verwundert es nicht, dass bei ihm die Jesusbewegung eine Fortsetzung der Johannesbewegung ist. Auch die ersten Jesusjünger sind ehemalige Johannesanhänger. Und der erste von ihnen ist Andreas. In Johannes 1,35 ff. wird uns berichtet, dass Andreas zu den Anhängern des Johannes gehört. Eines Tages kommt Jesus vorüber, Johannes weist seine Anhänger darauf hin, dass dieser der ist, von dem er ihnen gesagt hat, dass er kommen werde. Darauf wechselt Andreas sozusagen seinen Meister und folgt Jesus nach. Damit ist er dem Johannesbericht zufolge der allererste Jünger. Sein Bruder Petrus – damals noch mit Namen Simon – erfährt erst durch ihn von Jesus. Andreas führte ihn zu Jesus. Jesus allerdings räumt dann sofort dem Petrus den bedeutenderen Platz ein, indem er ihm den neuen Namen gibt. Andreas steht auch hier sofort im Schatten seines Bruders, obwohl er doch „Anspruch“ auf den ersten Platz gehabt hätte. Nicht nur war er der erste, der Jesus folgte, er legt auch als erster ein Bekenntnis zu Jesus als dem Messias ab. Petrus berichtet er von seiner Begegnung mit Jesus mit den begeisterten Worten „Wir haben den Messias gefunden!“ (Johannes 1,41) Im Johannesevangelium kommen Andreas und Petrus aus Bethsaida, einem kleinen Ort am Nord-Ost-Ufer des Sees Genezareth, ebenso wie der nach ihnen berufene Philippus. Gemeinsam mit diesem spielt Andreas eine besondere Rolle bei der Speisung der 5000 in Johannes 6,1-15. Und in Johannes 12,20 ff. findet sich noch einmal der Hinweis auf eine herausragende Stellung von Andreas und Philippus. Die Leute kommen zu ihnen und stellen ihnen die Fragen, die sie Jesus gern fragen würden. Die beiden Jünger werden zu einer Art Fürsprecher.

Die Rolle des Andreas im Jüngerkreis ist also in den Evangelien sehr unterschiedlich. Gehört er bei den Synoptikern Markus, Matthäus und Lukas zusammen mit seinem Bruder Petrus und den Brüdern Johannes und Jakobus zu den vier zuerst Berufenen und tritt dort alsbald in den Schatten seines Bruders, so ist er nach Aussage des Johannesevangeliums der erste im Jüngerkreis und behauptet diese Stellung auch deutlicher als in den anderen drei Evangelien.

Der Maler unserer Emporenbilder hat sich offenbar über die Anordnung der Jünger auf der Empore durchaus Gedanken gemacht. Neben dem Auferstandenen stehen zwar Petrus und Johannes, wie man das erwartet hätte. Der gekreuzigte Christus aber auf dem Kalvarienberg in der Mitte der Schmalseite des Kirchenschiffs wird flankiert von Andreas und Philippus, den beiden im Johannesevangelium besonders Erwähnten. Und beide tragen als Attribut eine Art Kreuz bei sich, Andreas ein Schrägbalkenkreuz, Philippus ein Stabkreuz. Das „Andreaskreuz“ ist eines der wenigen Attribute, die weit über den biblischen Horizont hinaus Bekanntheit erlangt haben. Jeder kennt es als Verkehrszeichen, das uns den Wartebereich vor einem Bahnübergang anzeigt.

Gemeindebrief - Herbst 2008

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Philippus
Emporenbild des Apostels Philippus

Philippus

Philippus gehört zu den Jüngern, über die wir - zumindest aus den synoptischen Evangelien - nicht viel wissen. In den Aufzählungen der zwölf Jünger bei Markus (Markus 3,13-19), Matthäus (Matthäus 10,1-4) und Lukas (Lukas 6,12-16 und Apostelgeschichte 1,13) erscheint Philippus an fünfter Stelle, hinter Petrus und Andreas, Johannes und Jakobus. Zwischen diesen vieren und den folgenden acht gibt es einen deutlichen Unterschied. Petrus und Andreas, Johannes und Jakobus, jeweils zwei Brüderpaare, wurden als erste berufen vor allen anderen. So wird es ausdrücklich berichtet im Markus-, Matthäus- und Lukasevangelium. Sie stehen in allen Aufzählungen der Apostel auf den ersten vier Plätzen, und es gibt im weiteren Verlauf der Evangelientexte verschiedene Hinweise darauf, dass sie auch eine be-sondere Rolle gespielt hauen. Von den übrigen acht berichten die Evangelien nicht viel, nicht über ihre Herkunft und nicht über ihre Motivation. Einzig Judas und Thomas bilden noch eine gewisse Ausnahme von dieser Regel. Wenn man bedenkt, dass sie alle den Berichten zufolge immerhin ein Jahr lang mit Jesus unterwegs waren und bei allen Ereignissen Zeuge wurden, ist dies recht erstaunlich. Der Hinweis auf Jesus und „seine Jünger“ bleibt meist summarisch. Zu den acht eher unbekannten Männern gehört auch Philippus.

Anders ist dies allein im Johannesevangelium. Dort gehört Philippus zu den wenigen, über die wir mehr erfahren. Dem Johannesbericht zufolge (Johannes 1,35 ff.) waren die ersten beiden Jünger, die Jesus nachfolgten, ehemalige Anhänger Johannes, des Täufers, die sozusagen den Meister gewechselt haben, weil Johannes ihnen Jesus vorstellte als den, auf den die Israeliten gewartet hatten seit langer Zeit. Einer von ihnen war Andreas. Der findet dann zunächst seinen Bruder Petrus als zweiten im Bunde. Philippus aber ist hier bereits der dritte. Er wird von Jesus selbst angesprochen. Jesus findet ihn in Galiläa und sagt zu ihm: Folge mir nach. Wir erfahren, dass Philippus aus Bethsaida war, einer kleinen Stadt nördlich vom See Genezareth, die auch die Heimat von Petrus und Andreas gewesen sei. Philippus versteht sofort, wen er vor sich hat. Denn er lädt dann seinerseits den Nathanael ein, Jesus zu folgen. Und er legt ihm gegenüber - nach Andreas - das zweite Bekenntnis zu Jesus als dem Messias ab: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.“ Damit ist er einer der ersten, die eine „Identifizierung“ Jesu als Messias vornehmen, eine theologische Deutung, ein Bekenntnis ablegen. Was aus Nathanael wird, erfahren wir nicht. Obwohl er auch Jesus als Messias anerkennt („Rabbi, du bist Gottes Sohn“) wird er nicht Mitglied des Zwölferkreises. Philippus aber wird einer der Zwölf, und das Johannesevangelium bleibt konsequent bei seiner Sichtweise, dass er von Anfang an eine besondere Rolle im Kreis der Jünger gespielt hat. Wir begegnen ihm wieder bei der Speisung der fünftausend in Johannes 6,1-15, wo Jesus sich an ihn wendet mit der Frage, wo sie Brot kaufen sollen, um all die Menschen satt zu machen. Das fragte er, um ihn zu prüfen, so wird uns berichtet. Und Philippus besteht den „Test“ nicht. Er antwortet, dass es unmöglich sei, für so viele Menschen Brot zu kaufen, rechnet also nicht damit, dass Jesus bereits einen anderen Plan hat und über andere Mittel verfügt, Menschen satt zu machen.

In Johannes 12,21 wenden sich einige Griechen an Philippus und bitten ihn, dafür zu sorgen, dass sie Jesus sehen dürfen. Häufiger berichten die Evangelien, dass sich die Menschen an die Jünger wandten und um Fürsprache baten, wenn sie etwas vom Meister wollten. Wenn sie sich hier an Philippus halten, kann das nur bedeuten, dass sie ihm zutrauten, dass er ein besonderes Verhältnis zu Jesus und einen großen Einfluss hatte.

Und noch einmal begegnet Philippus herausgehoben aus dem Kreis der ande-ren in Johannes 14,8, wo er selbst mit einer Frage an Jesus herantritt: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns. Auch diese Situation ist typisch für das Verhalten von Jüngern, die Jesus näher standen als andere. Sie trauten sich eher, ihm direkte Fragen zu stellen, sie baten um mehr Information und Offenbarung, darum, dass Jesus ihnen einen direkteren Zugang zum Verständnis Gottes ermöglichen solle.

Philippus gehört zu den Jüngern, die den biblischen Berichten zufolge sehr unterschiedlich beurteilt wird. Nach den Berichten der Synoptiker gehörte er zu den „Mitläufern“ ohne Profil, nach Auffassung des Verfassers des Johannesevangeliums gehörte er zu den ersten, die Jesus als den Gottessohn und Messias erkannten und hatte eine herausragende Rolle im Kreis der Anhänger.

Gemeindebrief - Frühjahr 2009

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbilder - Kalvarienberg - Ausschnitt mit Jesus am Kreuz
Emporenbilder - Kalvarienberg - Ausschnitt mit Jesus am Kreuz

Der Kalvarienberg

In der Mitte der Emporenbilder an der Stirnseite der Empore findet sich die Darstellung der Kreuzigungsszene, der Kalvarienberg. Der Name kommt vom lateinischen „calvaria“ und bedeutet „Schädel“. Aus der Luther-Übersetzung ist uns der aramäische Ausdruck „Golgatha“ vertrauter, der dieselbe Bedeutung hat. Dass man Jesus nach seiner Verurteilung zu diesem Ort brachte, erfahren wir aus Markus 15/22 ff. und den Parallelberichten Matthäus 27/33 ff. und Lukas 23/32 ff. Im Markusevangelium ist nur von Jesus die Rede, in den anderen beiden Berichten werden auch die zwei Männer erwähnt, die mit ihm gekreuzigt wurden zur Rechten und zur Linken. Warum sie hingerichtet wurden, bleibt offen. Im Lukasevangelium bezeichnet die Luther-Übersetzung sie als „Übeltäter“, im Matthäusbericht als „Räuber“. Was sie sich zu schulden hatten kommen lassen, wissen wir nicht. Ihre Rolle wird im mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu den Ereignissen größer. Werden sie im Markusevangelium nur erwähnt, hören wir bei Matthäus bereits, dass sie sich an der Verspottung Jesu beteiligten. Nur im Lukasbericht jedoch ist jenes Gespräch überliefert, das sich vielfach eingeprägt hat:

„Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechts getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“

Dies ist der kurze Dialog, der die Szene auf dem Kalvarienberg in der Vorstellung der Menschen aller folgenden Jahrhunderte geprägt hat. Zahlreiche bildhafte Darstellungen in der Kunst verarbeiten diesen Lukasstoff und zeigen nicht nur Jesus am Kreuz sondern auch die beiden mit ihm Gekreuzigten. Für diese Dreiergruppe hat sich der Begriff „Kalvarienberg“ durchgesetzt. Auf unserem Emporenbild ist das Kreuz Jesu in der Mitte etwas höher als die beiden anderen Kreuze. Diese Darstellungsform ist nicht selten.

Die beiden Jesus flankierenden Männer symbolisieren dabei die Menschen, die sich entscheiden müssen, ob sie für oder gegen ihn sind, ihn als den Christus anerkennen, wie der eine der beiden, oder ihn lästern wie der andere.

Gemeindebrief - Herbst 2009

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Judas Ischarioth
Emporenbild des Apostels Judas Ischarioth

Judas Ischarioth

Beinamen oder Zusätze zum Namen waren in der Zeit der Entstehung der biblischen Texte recht verbreitet. Da es noch keine Nachnamen gab, und etliche Vornamen genau wie heute häufig vergeben wurden, waren diese zur Unterscheidung der Personen nützlich. Sie nahmen dabei entweder Bezug auf den Vater (z.B. Johannes, Sohn des Zebedäus) oder den Ort der Herkunft (wie bei Simon Kananäus). Den bekanntesten aller Beinamen trägt Judas Ischarioth. Im lukanischen Schrifttum ist er hilfreich zur Unterscheidung von einem zweiten Jünger mit Namen Judas, dem Sohn des Jakobus, der nur in der lukanischen Aufzählung vorkommt, im Markus- und Matthäusevangelium allerdings wird er dazu nicht benötigt, da es dort nur den einen Judas gibt. Auch auf unseren Emporenbildern haben wir nur diesen bekannten Judas Ischarioth. Über die Herkunft und Bedeutung dieses Beinamens gibt es verschiedene Theorien. Die wahrscheinlichste ist, dass der Name in Beziehung steht zu seiner Herkunft aus dem Ort Kerioth im südlichen Judäa. Eine andere Deutung führt das Wort Ischarioth zurück auf das griechische „sikarios“, was „Meuchelmörder, Bandit“ bedeutet. Dies würde einen Bezug zu der späteren Geschichte des Judas herstellen. Daher muss es als weniger wahrscheinlich angesehen werden, denn zum einen trug ja schon der Vater des Judas den Zusatz zum Namen, zum anderen wäre der Beiname dann eher nachträgliche Wertung und Interpretation. So bleibt es wahrscheinlich, dass Judas aus dem Süden des Landes, aus Judäa stammt.

Die Verbindung seines Namens zu diesem Landstrich ist ja ganz unmittelbar und bedeutungsvoll. Der Süden des Landes, unter den Römern Provinz Judäa genannt, trug vormals den Namen Juda nach einem der zwölf Söhne des Patriarchen Jakob aus dem Alten Testament. Jakobs zwölf Söhne, als deren Restitution später die zwölf Apostel galten, nahmen dem biblischen Bericht vor allem im Josua- und Richterbuch zufolge nach der Flucht aus Ägypten, dem Wüstenzug und der Landnahme im vormals schon unter Abraham bewohnten Israel, das ganze Land in Besitz und teilten es in zwölf Herrschaftsbereiche auf. Dem zweitältesten Sohn Juda fiel dabei der Süden des Landes zu. Dieses Südland blieb am längsten selbständig. Nach der Reichsteilung in einen Nordstaat, der die Ländereien der anderen elf Stämme umfasste, und einen Südstaat, der nur den Bereich Judas ausmachte, und dem Untergang des Nordreiches nach der Eroberung durch die Assyrer 722 v. Chr. blieb der Südstaat Juda noch Königreich bis zur Eroberung durch die Babylonier um 586 v. Chr. Juda war also lange Zeit identisch mit dem, was vom alten Israel noch übrig geblieben war. Der Name wurde dann von den Römern zur Bezeichnung ihrer Provinz benutzt und gab schließlich dem ganzen Volk in der Zerstreuung und seiner Religion den Namen. Die Juden tragen Judas Namen. Und es gab natürlich der antijudaistischen Auslegung des Alten und Neuen Testamentes Nahrung, dass nun ausgerechnet der Jünger, der diesen traditionsreichen Namen trug, zum „Verräter“ an Jesus wurde. Der Weg war nicht weit von dieser Tatsache zur Behauptung, nicht nur Judas in Person, sondern „die Juden“ seien Schuld am Tod Jesu.

Judas Ischarioth kam also schon mit einer erheblichen historischen Hypothek auf die Welt. Dabei ist er durchaus nicht der einzige, der mit diesem traditionsbeladenen Namen leben musste. Für die Tatsache, dass viele Menschen denselben Namen trugen, ist er ein besonders gutes Beispiel. Der Name Juda war sehr beliebt, war er doch der eines der berühmten Patriarchensöhne und des Stammvaters des jüdischen Stamm- und Kernlandes. So begegnen uns in den biblischen Quellen allein acht Männer mit Namen Judas. Der erste ist natürlich der schon erwähnte Jakobsohn aus dem Alten Testament, über dessen Landzuteilung wir in Josua 15,20 ff. erfahren, der Namenspatron des gesamten Judentums. Ein anderer Judas steht im Stammbaum Jesu in Lukas 3,30, von dem wir allerdings nichts wissen, außer dass sein Vater Josef hieß und er einen Sohn Namens Simeon hatte und etliche Generationen vor Jesus gelebt haben muss. Ein dritter Judas ist uns überliefert, der den Beinamen Galiläus trug und ein Widerstandskämpfer gegen die Römer unter dem Statthalter Quirinius gewesen sein soll, also um die Zeit der Geburt Jesu herum.

Die Apostelgeschichte kennt noch einen Judas aus Damaskus, der zeitweise Paulus beherbergt haben soll (Apostelgeschichte 9,11). Außerdem gibt es einen Judas Barsabas, der nach Apostelgeschichte 15,22+27+32 eine leitende Stellung in der Jerusalemer Urgemeinde innegehabt haben muss, und der auserwählt wurde, mit Paulus, Barnabas und Silas auf Missionsreise nach Antiochien zu gehen. Schließlich hieß auch einer der Brüder Jesu Judas. Das wissen wir aus Matthäus 13,55, wo die Brüder Jesu mit Namen genannt sind und die Schwestern zumindest erwähnt werden.

Und endlich gibt es jenen zweiten Judas im Zwölferkreis, der allerdings nur im lukanischen Schrifttum vorkommt in den Aufzählungen des Lukasevangeliums in Lukas 6,13-16 und Apostelgeschichte 1,13. Judas Ischarioth also hat viele Namensvettern, er aber ist der bekannteste Träger dieses Namens geworden durch seinen Verrat. Diese Geschichte wird allerdings von den Evangelisten unterschiedlich überliefert. Zwar berichten alle drei Synoptiker, dass Judas aus Eigeninitiative zu den Hohen Priestern gegangen sei, um mit ihnen ein Abkommen über den Verrat zu schließen.

Das Geld boten diese ihm daraufhin an. Ob es sich bei diesen dreißig Silberlingen tatsächlich um eine nennenswerte Summe gehandelt hat, lässt sich nicht mehr aufhellen, da wir über den Wert der Währung zu wenig wissen. Auf jeden Fall war die Summe nicht so groß, dass von ihr die Versuchung für die Tat ausgegangen sein konnte. Judas muss noch ein anderes Motiv gehabt haben. Dass Jesus von diesem geplanten Verrat wusste, berichten ebenfalls alle drei Evangelien, allerdings wird nur im Matthäusevangelium die Identität der Person offengelegt. Nach Matthäus 26,25 fragt Judas: Bin ich‘s? Und Jesus antwortet: Du sagst es. Im Markusevangelium fragen sich alle offenbar ängstlich, ob sie gemeint sein könnten (Markus 14,18-21), und im Lukasevangelium heißt es nur „die Hand es Verräters ist mit mir über dem Tisch“ (Lukas 22,47+48). Im Johannesevangelium wird der Verrat nur in einem Satz erwähnt; wir erfahren keine Einzelheiten.

Der tatsächliche Vorgang wird dann von allen ziemlich ähnlich berichtet. Als Jesus mit seinen Jüngern im Garten Gethsemane war um zu beten, kam Judas mit einer Schar bewaffneter Männer und gab als Erkennungszeichen Jesus einen Kuss. Dieser Judaskuss ist zum geflügelten Wort geworden. Jesus kommentiert: Verrätst du des Menschen Sohn durch einen Kuss? Die zärtliche Handlung größter Intimität wird pervertiert zum Zeichen des Verrates.

Über das Motiv des Judas, Jesus zu verraten und ihn gerade auf diese Weise zu verraten, ist viel spekuliert worden. Die Bemerkung im Lukasevangelium, der Satan sei in Judas gefahren (Lukas 22,1-6) hilft nicht viel weiter, sie steht eher unter dem Verdacht einer antijudaistischen Färbung. Nichts lässt vorher darauf schließen, dass Judas nicht in ebensolcher Loyalität zu Jesus steht wie seine anderen Freunde. Deshalb haben viele Ausleger die Theorie vertreten, dass Judas nicht aus Hass diesen Verrat beging sondern aus Enttäuschung. Wie viele andere habe er von Jesus die Befreiung von der Römerherrschaft und Besatzung erwartet, sei vielleicht sogar wie Simon Zelotes ein Mitglieder der Untergrundbewegung der Zeloten gewesen. Als er Jesus von seinem Tod reden hörte, habe er ihn einfach zum Handeln zwingen wollen. Wenn er ihn an die Römer ausliefern würde, dann bliebe ihm doch nichts anderes übrig, als endlich seine Macht zu zeigen und gegen die Römer zu kämpfen. Judas habe nicht erwartet, dass Jesus das mit der Gewaltfreiheit tatsächlich ernst gemeint hätte und sich kampflos ergeben und töten lassen würde. Zwar gibt es in den biblischen Texten keinen Beleg für die Nähe des Judas zu den Zeloten, auch nicht dafür, dass er mit Simon Zelotes in besonderer Weise befreundet gewesen sein könnte. Aber die Umstände, die vom Tod des Judas berichtet werden, würden durchaus zu dieser Theorie passen. Diese allerdings kennen wir nur aus dem Matthäusevangelium. Matthäus 27,3 ff. berichtet, dass Judas, als er sah, dass Jesus zum Tode verurteilt wurde und nichts unternahm, um sich zu retten und zu wehren oder gar gegen die Römer zu kämpfen, das Geld zu den Hohen Priestern zurückbrachte und seine Tat bereute. Diese allerdings wollten nun nichts mehr damit zu tun haben. Da warf Judas das Geld in den Tempel, ging fort und erhängte sich. Die Hohen Priester aber trauten sich nicht, das Geld zurückzunehmen, weil Blut daran klebte. Sie kauften dafür einen Acker, auf dem fortan die Fremden beerdigt werden sollten. Die Erklärung „daher heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag“ lässt allerdings eher auf eine sogenannte Ätiologie schließen. Das heißt, die Tatsache, dass es einen Acker mit diesem Namen gab, soll nachträglich durch eine Geschichte erklärt werden, die anscheinend plausibel macht, wie der Acker zu diesem Namen gekommen ist.

Die zweite Nachricht, die wir vom Tod des Judas haben, stammt aus der Apostelgeschichte. In Apostelgeschichte 1,16-20 legt der Verfasser Petrus die Worte in den Mund. Danach soll Judas selbst den Acker von dem Geld erworben haben, sei dann aber „vornüber gestürzt, so dass alle seine Eingeweide hervorquollen.“ Hier ist das Ende also kein Selbstmord, sondern ein Unfall, ein sehr schauriger Unglücksfall, der Petrus wohl als „Strafe Gottes“ erscheint. Er sieht die Aussage aus Psalm 69, 26 („Ihre Wohnstatt soll verwüstet werden, und niemand wohne in ihren Zelten.“) als Voraussage des Endes des Judas an und begründet mit Psalm 109,8 („Seiner Tage sollen wenige werden, und sein Amt soll ein andrer empfangen.“), dass nun ein anderer an Stelle des Judas zum zwölften Apostel gewählt werden kann und muss. Den Ackerkauf findet er vorausgesagt in Jeremia 31,9. Diese Argumentation arbeitet bereits mit dem Verheißungs- Erfüllungs-Muster, das behauptet, alles, was nun mit und um Jesus geschehe, sei im Alten Testament bereits vorausgesagt und angekündigt. Alttestamentliche Zitate werden herausgezogen, um diese Theorie zu stützen und zu „beweisen“. Auch Jesus selbst legen die Verfasser der neutestamentlichen Schriften solche Argumente in den Mund. Alles musste so kommen, wie es nun kam. Und deshalb musste also auch einer Jesus verraten.

Letztlich lässt sich die Frage nach den Motiven des Judas aber nicht beantworten. Dass er und auch andere Anhänger einer jüdischen Befreiungsbewegung nahe standen, von denen es übrigens viele gab, ist sicher möglich. Da diese sich in der Frage, ob die Befreiung mit oder ohne Gewalt, auch militärische Waffengewalt, geschehen könne und solle, nicht einig waren, würde dies gut erklären, warum die Auseinandersetzung über die Frage nach der Gewaltfreiheit in neutestamentlichen Texten eine große Rolle spielt. Wenn die Theorie von der Mitgliedschaft des Judas in einer solchen Organisation zutrifft, dann hätten sich Jesus und Judas sozusagen über die Gewaltfrage auseinanderdividiert.

Die Identifizierung dieser Figur an unserer Emporenbrüstung, die möglicherweise Judas sein konnte, ist nicht ganz sicher. Üblicherweise trägt Judas auf Abbildungen als Attribut einen Geldbeutel bei sich. Dies ist auf unserem Bild nicht der Fall. Es ist vermutet worden, dass es sich deshalb um Judas handele, weil er sich abwendet. Aber das ist ein eher schwaches Argument. Erstens wäre das eine Haltung und kein Attribut. Zweitens gibt es auch andere Figuren unter den Zwölfen, die ihren Blick nicht direkt auf Christus oder die Kreuzigungsszene gerichtet haben. Es wäre durchaus ungewöhnlich, wenn der Künstler Judas im Kreis der Zwölf belassen hätte, vor allem dann, wenn es sich beim letzten der Zwölf in der Kassette neben Luther tatsächlich um Matthias handelt, was allerdings gleichfalls nicht ganz sicher ist. Matthias nämlich wurde erst nach Tod und Auferstehung Jesu nachgewählt anstelle des inzwischen verstorbenen Judas. Wenn der Künstler beide im Jüngerkreis belassen hätte, wäre das eine sehr ungewöhnliche Interpretation.

Gemeindebrief - Frühjahr 2010

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Jakobus, der Ältere
Emporenbild des Apostels Jakobus, der Ältere

Jakobus, der Ältere

Wenn die Nähe zu Jesus ein Argument für die Reihefolge der Emporenbilder gewesen wäre, dann hätte der Künstler Andreas und dem älteren Jakobus die Plätze neben Petrus und Johannes zuteilen müssen. Jakobus, oft der Ältere genannt, – zur Unterscheidung von dem anderen Jünger gleichen Namens, der den Zusatz „der Jüngere“ trägt – gehört zu den „Männern der ersten Stunde“. Die drei sogenannten synoptischen Evangelien (Markus; Matthäus und Lukas) räumen ihm einen besonderen Platz ein. Zusammen mit seinem Bruder Johannes gehört er zu den zuerst Berufenen, gemeinsam mit den Brüdern Petrus und Andreas. Johannes und Jakobus werden im Markus– und Matthäusevangelium in der Regel mit dem Zusatz „die Söhne des Zebedäus“ versehen. Ausdrücklich wird berichtet, dass diese beiden Brüderpaare Jesus folgen noch vor der Vervollständigung des Zwölferkreises.

Aus dem Matthäusbericht (Matthäus 4, 18-21) erfahren wir, dass Jesus alle vier am Galiläischen Meer, also am See Genezareth, traf. Johannes und Jakobus saßen im Boot ihres Vaters Zebedäus und flickten ihre Fischernetze. Auf der Stelle verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach. In der Parallelerzählung in Lukas 5 wird die Berufung dieser ersten vier Jünger erweitert und gerahmt von der Geschichte vom Fischfang des Petrus, der auf Jesu Wort hin die Netze noch einmal auswarf, obwohl er die ganze Nacht nichts gefangen hatte, und durch den überwältigenden Fang von der Vollmacht Jesu überzeugt wurde. Jakobus ist dort Zeuge dieser Szene und wird als ein Freund des Petrus vorgestellt. In allen Aufzählungen der zwölf Jünger des engsten Freundeskreises Jesu wird Jakobus mit seinem Bruder Johannes und den Brüdern Petrus und Andreas auf den ersten vier Plätzen genannt.

Von mehreren Situationen berichten die Evangelisten, in denen Jesus nur einige seiner Jünger dabei haben wollte. Und oft ist Jakobus unter diesen Bevorzugten. Bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus in dessen Haus sind sie dabei (Markus 1, 29) und auf dem Ölberg, als Jesus vom Ende der Zeiten spricht (Markus 13,3).

Während die Rolle des Andreas nicht so eindeutig zu sein scheint, da er als einziger der viere in anderen Situationen oft fehlt, scheint die des Jakobus völlig unbestritten für alle drei Evangelisten. Bei der Verklärung (Markus 9,2; Matthäus 17, 1; Lukas 9,28) ist Jakobus einer der drei Zeugen, ebenso bei der Auferweckung der Tochter des Jairus (Markus 5,37; Lukas 8, 51).

Im Garten Gethsemane lässt Jesus seine Jünger zurück, um zu beten. Petrus, Johannes und Jakobus aber wollte er laut Markus 14,32 und Matthäus 26,37 auch in dieser Situation bei sich haben. Die Sonderrolle der beiden Zebedäussöhne geht eindeutig auf Textvorlagen zurück, auf die der Verfasser des Markusevangeliums sich bezieht.

Nur wenige Jünger können für sich beanspruchen, dass Jesus selbst ihnen sozusagen Namen gegeben hat. Wir kennen das von Petrus, der eigentlich Simon hieß und von Jesus „Petrus“ – das heißt „der Fels“ – genannt wurde. Auch von Jakobus wird eine „Namensgebung“ berichtet. Und die findet sich nur im Markusevangelium, ist also von Matthäus und Lukas später nicht übernommen worden. Markus 3,17 berichtet, dass Jesus ihm und seinem Bruder Johannes den Beinamen „Boanerges“ – das heißt „Donnersöhne“ – gegeben habe.

Der Markusstoff enthält noch eine besondere Geschichte über die beiden Zebedäussöhne. Nach Markus 10,35-45 kommen Jakobus und Johannes eines Tages zu Jesus und bitten ihn, dass sie im Reiche Gottes einmal zu seiner Rechten und Linken sitzen dürfen. Jesus weist sie darauf zunächst erstaunlich milde zurecht. Er kritisiert nicht ihre Bitte als ungebührlich, sondern erklärt ihnen, dass es allein Sache Gottes sei zu entscheiden, wer zu seiner Rechten und Linken sitzen dürfe. Die anderen zehn reagieren ziemlich unwillig auf das Ansinnen der beiden. Darauf schließt sich eine deutliche Kritik an aller Herrschaft und Machtausübung an: „Die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ Diese Geschichte ist bei der Abfassung des Matthäusevangeliums, dem das Markusevangelium wahrscheinlich schon in schriftlicher Form vorlag, übernommen worden. Allerdings ist es dort die Mutter der beiden, die zu Jesus kommt und für ihre Sohne bittet. Anschließend kam es dem Verfasser peinlich vor, dass die Jünger um solch eine Bevorzugung gebeten haben sollten, und er versuchte den Eindruck zu mildern, indem er der Mutter die Bitte in den Mund legte. Aus diesem Text kann man wohl den Rückschluss ziehen, dass es Rivalitäten und Eifersüchteleien unter den Freunden Jesu gegeben haben wird, ein Ringen um die größere Nähe zu ihm. Jakobus war neben Petrus und Johannes offenbar einer derer, die in diesem Zusammenhang von sich reden machten.

Der Künstler hat Jakobus auf unserem Emporenbild den Pilgerstab in die Hand gegeben, Symbol der Wanderprediger. Tatsächlich wird ein Jakobus mit Johannes und Petrus als Säule der Jerusalemer Urgemeinde erwähnt im Galaterbrief des Paulus (Gal 2,9). Paulus sah in ihm offenbar eine der Autoritäten, mit denen er sich auseinander zu setzen hatte. Allerdings handelte es sich bei diesem Jakobus wohl kaum um denselben Mann. Alles spricht dafür, dass hier der Bruder Jesu gemeint ist, der auch Jakobus hieß und den Jakobus der ersten Stunde zur Pauluszeit längst an Bedeutung und Bekanntheitsgrad überflügelt hatte. Man hat aber schon vorher oft den Eindruck, dass Jakobus von der Prominenz seines Bruders Johannes profitiert, der mit Petrus eindeutig um die Führungsrolle im Zwölferkreis konkurrierte.

In der Apostelgeschichte tritt er deutlich hinter Petrus und Johannes zurück, die immer erkennbarer zu Wortführern werden.

Allerdings blieb Jakobus auch nicht viel Zeit, sein Apostelamt auszuüben. Er wurde vermutlich im Jahr 44 n. Chr. unter Herodes Agrippa hingerichtet. Das wissen wir aus Apostelgeschichte 12,2. Es wird kein Grund dafür angegeben, außer dass Herodes offenbar alle Anhänger Jesu verfolgte, weil er merkte, dass dies in bestimmten Kreises der Bevölkerung durchaus auf Zustimmung stieß. Petrus kommt im Zuge dieser Verfolgung ins Gefängnis, wird aber durch ein Wunder gerettet.

Auch Jakobus ist nicht der einzige Träger dieses Namens im Neuen Testament. Wie bereits erwähnt gab es noch ein zweites Mitglied im Zwölferkreis mit dem selben Vornamen, der zur Unterscheidung den Zusatz „der Jüngere“ oder „Sohn des Alphäus“ trug.

Außerdem hatte er noch einen jenen schon erwähnte Namensvetter unter den Brüdern Jesu. Jakobus, der Herrenbruder, begegnet uns in Markus 6,3; 1. Korinther 15,7; Apostelgeschichte 12,17 und öfter.

Wer Jakobus, der Kleine in Markus 15, 40 ist, bleibt unklar. Wir wissen nur, dass er Sohn einer Maria war. Und dann gab es noch Jakobus, den Vater des Apostels Judas, nicht des „Verräters“, sondern des anderen Judas, der nur bei Lukas vorkommt (Lukas 6,16 und Apostelgeschichte 1,13).

Die Frage, wer den zu den katholischen Briefen zählenden Jakobusbrief geschrieben hat, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die „katholischen“ Briefe (Jako¬bus, Judas, die beiden Petrus- und die Johannesbriefe) werden so genannt, weil sie in einer Zeit entstanden sein müssen, in der die ersten festen Strukturen einer organisierten „Amtskirche“ mit Ämtern und Hierarchien, eben der späteren Katholischen Kirche, sich schon erkennen lassen. Der Brief selbst erhebt den Anspruch, von Jakobus, dem Herrenbruder geschrieben worden zu sein. Dagegen aber sprechen etliche Gründe, nicht nur, dass das Schreiben kaum vor 100 n. Chr. entstanden sein kann. Mit unserem Jakobus aus dem Zwölferkreis der ersten Zeit jedenfalls hat er nichts zu tun.

Gemeindebrief - Herbst 2010

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Simon Zelotes
Emporenbild des Apostels Simon Zelotes

Simon Zelotes

Über Simon Zelotes erfahren wir außer seiner Zugehörigkeit zum Zwölferkreis nur etwas durch zwei verschiedene Namenszusätze, die die Verfasser der Evangelien ihm gegeben haben. In Markus 3,18 heißt er Simon Kananäus. Der Verfasser des Matthäustextes, der eine frühe Fassung des Markusevangeliums mit großer Wahrscheinlichkeit kannte und verarbeitete, übernahm diesen Namenszusatz für Simon. Vermutlich soll er darauf hinweisen, dass Simon aus der Stadt Kana stammte, einem Ort in Galiläa, der in der Bibel einzig durch die nur im Johannesevangelium überlieferte Geschichte von der Hochzeit zu Kana (Johannes 2,1-12) bekannt geworden ist. Es ist anzunehmen, dass dieser Hinweis auf Simons Herkunft nicht unbedingt etwas Wissenswertes über ihn aussagen sollte, sondern eher zur Unterscheidung von dem anderen Simon dienen sollte, der zwar bald nur noch unter dem Namen Petrus bekannt wurde, aber dessen eigentlicher Name ja Simon war.

Interessanter ist die andere Namenserweiterung, die sich aber nur bei einem Autor findet. In Lukas 6,14 und Apostelgeschichte 1,13 – beide Bücher stammen aus derselben Feder – heißt Simon „der Zelot“. Dieser Hinweis dient nicht einer geografischen Einordnung, sondern einer Beschreibung der politisch- religiösen Einstellung seines Trägers. Die Zeloten waren eine jüdische Widerstandsbewegung gegen die römische Besatzung. Zur Zeit Jesu war Israel bereits seit langem römisches Protektorat. Der südliche Teil gehörte als Provinz Juda zum römischen Reich und unterstand der Befehlsgewalt des Statthalters. Zur Zeit der Wanderpredigertätigkeit Jesu war dies Pontius Pilatus. Es gab zahlreiche jüdische Untergrundbewegungen, die eine Befreiung von der militärischen Besatzung durch Rom anstrebten. Sie waren sich in der Wahl ihrer Mittel durchaus nicht einig. Die Zeloten waren bekannt dafür, dass sie die Anwendung von Waffengewalt befürworteten und für gerechtfertigt hielten, auch aus ihrer religiösen Überzeugung heraus. Gott habe Israel die Freiheit zugesagt, so argumentierten sie. Und der erwartete Messias sei für sie nicht nur der spirituelle, sondern auch der politische Befreier. Es ist bekannt, dass die Zeloten große Hoffnungen auf Jesus gesetzt hatten und zeitweise in ihm diesen erwarteten Befreier sahen. Einer, von dem immer wieder angenommen wurde, er sei ein Aktivist dieser Bewegung gewesen, ist auch Judas Ischarioth. Sein „Verrat“ wird von vielen als Versuch gedeutet, Jesus endlich zum politischen Handeln zu provozieren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass im nähren Umfeld Jesu noch andere Mitglieder dieser Befreiungsfront sozusagen „under cover“ mitmachten. Jesus scheint das gewusst zu haben. Einige seiner Bemerkungen zum Thema Gewaltverzicht sind auf diesem Hintergrund verständlicher. Der Namenszusatz „der Zelot“ lässt vermuten, dass auch Simon dieser Bewegung angehört haben könnte. Während es im Lukasevangelium noch heißt, dass Simon der Zelot „genannt“ wurde, wird er in der später geschriebenen Apostelgeschichte einfach als „Simon, der Zelot“ vorgestellt, als handele es sich hei seiner Mitgliedschaft in der Untergrundbewegung um eine Tatsache.

Das Attribut, das der Künstler unserer Emporenbilder Simon zu Identifizierung mitgegeben hat, dient aber in keiner Weise der Bestätigung dieser Theorie. Er trägt eine Säge in der Hand, was wohl eher ein Hinweis auf seinen vermuteten Beruf sein dürfte, über den wir allerdings in den biblischen Texten nicht das geringste erfahren.

Gemeindebrief - Frühjahr 2011

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Jakobus, der Jüngere
Emporenbild des Apostels Jakobus, der Jüngere

Jakobus, der Jüngere

Verwirrend ist, dass es in der Reihe der jünger zwei Personen gibt, die den Namen Jakobus tragen. Sie werden in allen vier neutestamentlichen Aufzählungen erwähnt (Markus 3, Matthäus 10, Lukas 6 und Apostelgeschichte 1) und tragen zur Unterscheidung häufig Namenszusätze. Jakobus, der Sohn des Zebedäus, oft auch „der Ältere" genannt, war ein Bruder des Johannes. Der jüngere Jakobus dagegen wird als „Sohn des Alphäus“ bezeichnet. Er gehört zu den Jüngern, über die wir außer seinem Namen nichts erfahren.

Der Zusatz „Sohn des Alphäus“ findet sich noch in einem Bericht über eine Düngerberufung in Markus 2,13- 17. Es ist aber nicht klar, wer dort wirklich berufen wird. In den jeweiligen Parallelgeschichten der beiden anderen Synoptiker Matthäus und Lukas trägt der Berufene nämlich andere Namen. Im Matthäusevangelium heißt der jünger „Matthäus“, und es wird wohl vorausgesetzt, dass er mit dem Jünger Matthäus im Zwölferkreis identisch ist – und sicher nahm man früher auch an, dass es sich dabei um den Verfasser des gleichnamigen Evangeliums handelte, weil man bis zur Anwendung text- und literarkritischer Methoden aus der Literaturwissenschaft auf biblische Texte noch selbstverständlich davon ausging, dass die Evangelien von Mitgliedern des Jüngerkreises selbst verfasst worden seien. In Lukas 5,27 dagegen heißt der Berufene zwar ebenso wie im Markusbericht „Levi“, aber der Zusatz „Sohn des Alphäus“ fehlt hier. Die Frage, ob der Jünger aus dieser Geschichte etwas mit dem Jünger Jakobus, Sohn des Alphäus, zu tun hat, kann also nicht eindeutig beantwortet werden. So bleibt dieser Jakobus für uns eine recht blasse Figur.

Dass der Künstler ihm auf unseren Emporenbildern als Attribut eine Walkerstange in die Hand gegeben hat, kann wohl nur als Hinweis auf seinen – allerdings nur angenommenen – Beruf gedeutet werden. Das Walken ist eine Technik zur Textilbearbeitung, bei der Wollstoffe unter Druck und durch Wärme und Feuchtigkeit verfilzt werden. Sie erhalten dadurch eine höhere Festigkeit. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese Technik zur Zeit Jesu schon angewendet wurde. Die Attribute, die in der Kunstgeschichte dazu dienten, die Figuren zu identifizieren, stammen aus der Legendenbildung, oft aus sehr viel späterer Zeit als die biblischen Texte.

Gemeindebrief - Frühjahr 2012

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbornEmporenbild des Apostels Matthias
Emporenbild des Apostels Matthias

Matthias

Matthias ist eine Ausnahmeerscheinung im Jüngerkreis. Er ist der einzige, der nach den Berichten der Evangelien nicht von Anfang an dabei war. Laut Apostelgeschichte 1,15–27 trifft sich der Jüngerkreis, der nach dem Selbstmord, bzw. Unglückstod des Judas nun nur noch aus elf Personen besteht, und berät über eine Nachwahl. Initiator dieser Neuaufnahme ist Petrus. Er deutet die Geschehnisse um Judas als bereits im Alten Testament vorhergesagt und insofern gottgewollt, indem er Zitate aus den Psalmen Davids auf die Person des Judas bezieht. Und er stellt es als unhinterfragbare Tatsache hin, dass nun einer der anwesenden Männer nachgewählt werden müsse, damit die Zwölfzahl wieder vollkommen sei. So kommt es zu einer Wahl, aus der Matthias als Sieger hervorgeht. Allerdings ist die nachträgliche Überschrift über dem Abschnitt „Die Nachwahl des zwölften Apostels" irreführend. Denn die Entscheidung fällt nicht durch Befragung der Anwesenden oder durch eine Wahl, sondern durch das Los. Die Versammelten bitten Gott im Gebet, ihnen zu zeigen, welcher der Auserwählte sei und werfen dann das Los. Und das Los fällt auf Matthias. Es hätte durchaus noch einen anderen geeigneten Kandidaten gegeben: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus. Der Bericht der Apostelgeschichte ist vor allem deshalb so aufschlussreich, weil er offen legt, dass sich das Apostelamt inzwischen tatsächlich im Verständnis der Jesusanhängerschaft zu einem echten Amt gewandelt hat. Matthias ist nicht mehr einfach ein Jünger, ein Schüler, einer der Jesus nachgefolgt ist wie die anderen, die zum Zwölferkreis stießen. Er bekleidet ein Amt.

Petrus stellt in seiner Rede zum ersten Mal Kriterien auf, die ein Apostel erfüllen muss, damit der das Amt wahrnehmen kann: Er muss die ganze Zeit bei ihnen gewesen sein, in der Jesus unter ihnen ein und aus ging, d. h. er muss die Zeit der Wanderpredigerschaft aus eigener Anschauung kennen und die Geschichten von Jesus aus erster Hand gehört haben, und er muss Zeuge seiner Auferstehung sein. Damit hat Petrus einen Grundstein gelegt für das Verständnis des Apostelamtes. Paulus wird sich an diesen Kriterien abarbeiten müssen, kann er doch nicht von sich behaupten, mit Jesus unterwegs gewesen zu sein. Das allerdings kann auch Matthias schon nicht mehr von sich sagen.

Ein drittes Kriterium benennt Petrus nicht ausdrücklich, setzt es aber stillschweigend voraus: der Kandidat muss ein Mann sein. Ihm scheint das schon ganz selbstverständlich. Nach allem, was wir über die Frauen in der Nachfolge Jesu aus den Evangelien wissen, war es so selbstverständlich nicht. Da hätte es einige gegeben, die die Kriterien erfüllten insofern sie die ganze Zeit über mit Jesus unterwegs waren und Zeuge seiner Auferstehung wurden.

Die Behauptung, Matthias erfülle die Voraussetzungen, die notwendig seien, um als Nachrücker für Judas gewählt werden zu können, steht auf tönernen Füßen. Es hätte mehrere andere Kandidaten und Kandidatinnen gegeben, nicht nur Josef Barsabbas.

Diese Geschichte von der Nachwahl des Matthias ist ein innerbiblischer Beleg dafür, dass der Zwölferkreis eine Konstruktion ist, ein Postulat, das symbolischen Stellenwert hat. Und dass das Apostelamt ein Amt wurde im Laufe der Zeit, das es zu besetzen galt wie andere Ämter, ein besonders angesehenes zwar, aber eben doch ein Amt. Die „Apostel“ sind nicht einfach die zwölf, die schon immer mit Jesus unterwegs waren. Die Kriterien dafür, wer ein Apostel sein konnte, sind umstritten. Darüber erfahren wir mehr aus der Geschichte des Paulus. Am Anfang des Berichtes in der Apostelgeschichte wird ausdrücklich gesagt, dass die Nachwahl des zwölften Apostels durchaus nicht in der Exklusivität der engeren Jüngerrunde stattfand, sondern dass etwa hundertzwanzig Menschen versammelt waren, die in dieser Entstehungsphase der ersten Gemeinde in der Regel schon „Brüder“ genannt wurden.

Die Figur auf unserem Emporenbild, von der vermutet wird, es könne sich um Matthias handeln, trägt als Attribut eine Hellebarde, eine Stoß- und Hiebwaffe mit beilförmiger Klinge und scharfer Spitze an einem mehr als zwei Meter langen Schaft, die eigentlich erst aus dem Mittelalter bekannt ist.

Eben dieses Attribut könnte Zweifel aufkommen lassen an seiner Identifizierung. Denn die Hellebarde ist üblicherweise das Attribut, dass dem Thaddäus (aus dem Markus- und Matthäusevangelium) oder dem zweiten Judas (aus der anderen Zählung bei Lukas) in die Hand gegeben wird. Während nach Auskunft des ökumenischen Heiligenlexikons der Matthias ein Beil oder eine Lanze bei sich trägt oder Steine. So lässt sich für diese Figur nicht mit letzter Sicherheit sagen, wen der Künstler darstellen wollte. Die Attribute bieten allerdings auch kein letztgültiges und ausschließliches Argument für die Identifizierung, denn einige Apostel erscheinen durchaus auch mit verschiedenen Gegenständen auf Bildern. Auch für Thaddäus/Judas sind das Beil oder die Steine verwandt worden.

Sicherlich hängt diese Unsicherheit auch damit zusammen, dass wir über diese Figuren am wenigsten wissen. Sollte es sich nicht um Matthias, sondern um Judas oder Thaddäus handeln, dann wäre es durchaus möglich, dass die andere Figur, über deren Identität wir nicht ganz sicher sind, Judas Ischarioth sein könnte. Der Jüngerkreis wäre dann mit der Aufzählung der Evangelisten beinahe deckungsgleich mit der Ausnahme, dass statt Matthäus der Paulus aufgenommen wurde.

Gemeindebrief - Herbst 2012

© Ev. Kirchengemeinde BüttelbotrnEmporenbild des Reformators Dr. Martin Luther
Emporenbild des Reformators Dr. Martin Luther

Martin Luther (* 10. November 1483 in Eisleben; † 18. Februar 1546 ebenda)

In vielen Abbildungen in evangelischen Kirchen aus dieser Zeit wird Luther mit dem Schwan an seiner Seite dargestellt. Das geht auf eine Begebenheit zurück, die vom Reformator Johannes Hus überliefert wird. Der tschechische Reformator wurde 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, die Lehren zu widerrufen, die er seinerseits von Wyclif übernommen hatte. Vor seinem Tode soll er gesagt haben, er sei nur ein „armes Huhn“, nach ihm aber werde einer kommen, der ein Schwan sei. Es handelt sich dabei um das Motiv, das wir auch aus anderen Zusammenhängen kennen, zum Beispiel von Johannes dem Täufer und Jesus, und das häufiger verwandt wurde, wenn ein Vorläufer auf einen Nachfolger hinweisen wollte, der größer sein werde als er selbst, der mehr bewirken werde, und als dessen Wegbereiter er sich begreift. Vermutlich handelt es sich aber um eine posthum-Behauptung, also eine nachträgliche und kein echtes Zitat, denn 1415 war Luther noch nicht geboren. Er kam erst 1483 zur Welt. Hus konnte ihn nicht kennen, aber vielleicht ahnte er, dass die Bewegung nicht mit ihm sterben würde und andere erfolgreicher sein würden als er.

Und erfolgreicher war Martin Luther in der Tat. Er hat die evangelische Kirche nicht gegründet. Lange vor ihm war die Unruhe schon da, die die neue Zeit ankündigte. John Wyclif war schon 1384 tot, von 1419 bis 1436 tobten die Hussitenkriege, seit 1449 war die böhmische Sonderkirche anerkannt, in Italien gingen die Waldenser ihre eigenen, nicht-katholischen Wege und in Frankreich die Hugenotten. Die Zeit war längst reif, als Martin Luther 1483 in Eisleben geboren wurde, aber er wurde tatsächlich der Schwan unter den Reformatoren, der theologische Kopf der Bewegung. Von 1501 bis 1505 studierte er in Erfurt, trat dann in den Erfurter Augustinerorden ein und wurde 1507 zum Priester geweiht. Nach Abschluss seines Theologiestudiums wurde er Dozent in Wittenberg, machte 1512 seinen Doktor, hielt Vorlesungen und wurde Distriktsvikar seines Ordens.

Der konkrete Auslöser für die 95 Thesen, die er dann am Abend des 31. Oktober 1517 an die Schlosskirche zu Wittenberg schlug, und die den Stein endgültig ins Rollen brachten, war der Streit um den Ablass. Die katholische Kirche behauptete, man könne sich gegen Geld für bestimmte Zeit aus dem Fegefeuer freikaufen und ließ im großen Stil solche Ablassbriefe verkaufen, auch für bereits Verstorbene. Damit finanzierte sie ihre Gebäude, unter anderem wurde auch die Peterskirche in Rom so bezahlt. Die katholische Kirche exkommunizierte Luther nach mehreren Disputationen 1520, worauf der Staat sich solidarisch erklärte und 1521 die Reichsacht über ihn verhängte. Damit war er vogelfrei. Dank der Hilfe seiner Freunde unter den Fürsten konnte er entkommen und wurde auf der Wartburg versteckt. Allerdings kehrte er schon im Jahr darauf nach Wittenberg zurück, weil dort Unruhen ausgebrochen waren. Die Menschen begannen seine Lehren zu verbreiten, wobei sie ihnen oft eine durchaus eigene Interpretation beigaben.

Die politisch unruhige Situation - der Kaiser Karl V war erst 1519 gewählt worden, war dann von 1521 bis 1529 in Spanienverschaffte Luther sozusagen einen Windschatten, in dem er agieren und überleben konnte.

1522 erschien bereits das Neue Testament auf Deutsch, 1529 der kleine und der große Katechismus. Und die Ideen Luthers hatten sich so weit verbreitet, dass es nicht mehr möglich war, die Bewegung unter Kontrolle zu halten seitens des Staates und der katholischen Kirche. 1525 heiratete Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora. 1534 erschien das Alte Testament in Deutsch.

Da es nach der Loslösung von Rom keine eigenen, neuen Strukturen gab für die protestantischen Gegenden, schlug Luther vor, dass die weltlichen Herren das Kirchenregiment übernehmen sollten. Das landesherrliche Kircheregiment hatte zur Folge, dass faktisch die Fürsten darüber entschieden, ob die Untertanen in ihrem Bereich nun katholisch oder protestantisch sein sollten. Es gab keine Freiheit der Wahl. Den Menschen blieb nur die Auswanderung, wenn sie mit der Entscheidung ihres weltlichen Herren nicht übereinstimmten. Am Ende der Reformationszeit wurde diese Regelung festgeschrieben 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg. Von da an glich das deutsche Reichsgebiet einem Flickenteppich. Über dreihundert Regionalfürsten hatten für ihren Bereich die Konfession entschieden.

Die ehemals katholischen Priester sahen sich, wenn sie ihr Amt behalten wollten, oft von heute auf morgen als protestantische Pfarrer im schwarzen Talar, eigentlich dem Professorengewand, das Luther aus Mangel an anderen Ideen und weil er in dem Prediger vor allem auch den Theologen, den Ausleger des Gotteswortes sah, aus der Wissenschaft übernommen hatte. Sie mussten die Messe in Deutsch lesen, die Gemeinde mit Gemeindegesang und Vater unser am Gottesdienst beteiligen, das Abendmahl an die Gemeinde austeilen und das Basiswissen an die Gemeindemitglieder weitergeben. Es war erwünscht, dass sie heirateten und eine große Familie hatten.

Der Landgraf Philipp von Hessen war einer der Fürsten, die sich früh für das Luthertum entschieden, so dass zu vermuten ist, dass es auch hier in Büttelborn so zugegangen sein könnte. Er versah sein Amt von 1518 bis 1567, also während der ganzen Zeit, in der sich die Reformation durchsetzte. Sein Herrschaftsgebiet reichte von Kassel bis Darmstadt. Anfangs war er nicht begeistert von den neuen Lehren, schwenkte dann aber bald um. 1521 musste Tilman Schnabel, der als erster in Hessen protestantisch predigte noch seine Gemeinde in Alsfeld verlassen. Aber bereits 1526 ließ der Landgraf eine Landessynode in Homberg/Efze zusammentreten, auf der Laien und Theologen gemeinsam die Reformation für Hessen beschlossen. 1526 hatte der Reichstag zu Speyer den Fürsten erlaubt, ihrem Gewissen zu folgen und gegebenenfalls die Reformation einzuführen. Philipp von Hessen war einer der ersten, der davon Gebrauch machte. Sein Sinneswandel datiert wohl schon aus dem Jahr 1524 und wurde durch eine Begegnung mit dem Reformator Philipp Melanchthon ausgelöst. Die auf der Homberger Landessynode verfasste Schrift „Reformatio Ecclesiarum Hassiae“ (Die Reformation der Kirche Hessens) sah einen Kirchenaufbau vor auf der Grundlage selbständiger Gemeinden. Damit hatte Philipp sogar Luther überholt, der von so viel Gemeindeselbständigkeit gar nicht begeistert war. Das würde sowieso nicht funktionieren, meinte er und riet dem Fürsten zu, seinerseits einfach protestantische Pfarrer für die Gemeinden zu benennen. Visitatoren sollten dann durchs Land reisen und überprüfen, ob diese die Lutherlehren auch richtig unters Volk brachten.

Man kann also wohl sagen, dass unsere Gegend bereits 1526 protestantisch wurde und in der vormals katholischen Kirche zu Büttelborn, von der der hintere Teil noch immer unverändert steht, in dem heute die Sakristei sich befindet und die Empore mit der später eingebauten Orgel, vermutlich sehr früh Luthers Lehren verbreitet wurden.

Als 1728 der Teil unserer Kirche angebaut wurde, in dem sich die Empore mit den Bildern befinden, waren mehr als hundertfünfzig Jahre vergangen. In der Zeit der Gegenreformation hatte der Katholizismus wieder Boden wettgemacht, etliche Landstriche zurück gewonnen, aber auch Konzessionen gemacht, weil er merkte, dass er nicht ohne eigene Reform die Zeiten überstehen würde. Der Dreißigjährige Krieg war über Europa hinweggezogen und hatte die Bevölkerung auf schreckliche Weise dezimiert. Und an seinem Ende 1648 hatte sich die Landkarte abermals stark verändert hinsichtlich der katholischen und der protestantischen Landesteile.

Gemeinden, die im 18. Jahrhundert Kirchen bauten, taten dies oft mit großem Selbstbewusstsein. Und so findet sich nicht selten die Abbildung von unserem „Kirchenvater“ Martin Luther in evangelischen Dorfkirchen. Auf Augenhöhe und Seite an Seite wie bei uns mit Paulus und sogar mit Jesus Christus. Das ist sozusagen die Nabelschnur des Protestantismus. In der paulinischen Lehre fand Luther das, was ihn stark machte, was ihm seine Grundeinsichten vermittelte: Der Christ ist frei von den Werken des Gesetzes, allein durch Gnade wird er gerecht. Gott ist nicht der, der gefürchtet werden muss und vor dem man allemal nicht bestehen kann, sondern der, der freispricht. Wie Paulus entdeckt hatte, dass das Christentum zwar in der Kontinuität steht mit dem Judentum, aus dem es gewachsen ist, aber nicht alle Lehren daraus zuerst übernehmen muss, um Gott zu finden, so machte sich Luther frei aus der katholischen Vorgeschichte und fand einen anderen Weg des Menschen zu Gott.

Außerdem war ihm Paulus Vorbild, weil er auch eine Art „Tabubrecher“ gewesen ist. Die heilige Runde des Apostelkreises hat er zerbrochen und für sich selbst einen Platz und ein Amt beansprucht, das man ihm nicht geben wollte. Er führte es zurück auf eine direkte Berufung und Beauftragung durch Gott. So sah sich auch Luther. Wenn man die bekannten Gemälde von Martin Luther vor seinem inneren Auge hat, dann will es einem anfangs gar nicht recht gelingen, in der kleinen, eher schmächtigen Figur auf unserem Emporenbild den großen Reformator zu sehen. Wir sehen unwillkürlich entweder den Kupferstich von Lucas Cranach d. Ä. vor uns: Luther als Mönch mit der Kutte, dem Haarkranz und der Tonsur auf dem Kopf, stattlich jedenfalls und groß. Oder vom selben Künstler das Gemälde von 1529, das den Doktor Luther mit dem Professorengewand und dem Barett zeigt, wiederum einen stattlichen, fülligen Mann mit Bart. Lucas Cranach hat unser Lutherbild bleibend geprägt. Da will es uns gar nicht in den Kopf, dass der kleine, schmächtige Mann an unserer Empore mit dem kleinen Kopf, dem wenigen Haar, der schmalen Gestalt, unser großer Reformator sein soll. Eher wirkt er dort wie ein kleiner schüchterner Dorfpfarrer. Aber das schwarze Gewand und natürlich der Schwan machen ganz klar, dass der große Martin Luther gemeint ist. Eine sympathische Darstellung. Ein ganz anderer Luther, als wir ihn erwarten. In Gestalt und Haltung eher jenen Wanderpredigern gleich, die um Jesus waren und die ihn nun auf unserer Emporen umgeben.

Als Martin Luther 1546 starb, war unsere Kirche schon seit zwanzig Jahren eine evangelische Kirche. Klein, bald zu klein für das wachsende Dorf. Fast zweihundert Jahre sollten dann noch vergehen, bis nach dem Neubau des großen Kirchenschiffs Luthers Bild auf die Emporenbrüstung kam und davon zeugte, dass die Büttelborner nun schon lange stolz ihren protestantischen Glauben behauptet hatten.

Gemeindebrief - Frühjahr 2009

Mit diesem Text endet die Darstellung, Vorstellung und Erklärung der Emporenbilder in unserer Kirche, die im Zusammenhang mit der Kirchenrenovierung von unserer damaligen Pfarrerin Christiane Dannemann † sorgfältig recherchiert und kenntnisreich formuliert wurde. Ihr war es ein großes Anliegen, diese „Schätze“ zu bewahren.

Broschüren (Bild: rechte Spalte PC bzw. unterhalb Handy) mit der Darstellung aller Bilder sind im Pfarrbüro oder sonntags in der Kirche zum Preis von 4,50 € noch erhältlich.

Letzte Änderung am: 04.01.2021

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